Sie sind wieder da! Neue Rezensionen von Gitte. Von unserer Buchhändlerin ausgewählte Romane werden von Gitte hier ausführlicher besprochen. Sicher weckt auch der ein oder andere Roman bei Ihnen Interesse... also stürzen Sie sich in unsere Rezensionen.
Strandbudenzauber von Ella Danz
Ich lese gerne und viel und kreuz und quer – ich lese aber auch immer schon gerne Krimis. In den letzten Jahren habe ich immer wieder deutsche Krimiautoren und –autorinnen entdeckt und lieben gelernt. Eine davon ist Ella Danz mit ihrem unvergleichlichen Kommissar Angermüller. Angermüller ist nicht nur ein guter Ermittler sondern auch ein sehr fähiger Koch, was zur Folge hat, dass der Leser neben dem immer spannenden und aufregenden Fall auch eine Fülle an kulinarischen Ideen serviert bekommt und das auch in Form von Rezepten am Ende des Buchs. Ich kann dem Leser versprechen: Während sie mit Angermüller den Fall lösen, läuft ihnen das Wasser im Mund zusammen.
Nun kann man natürlich jeden Fall von Kommissar Angermüller unabhängig von den Vorgängerbänden lesen, da Ella Danz es schafft, den Leser sofort in das Geschehen einzubinden. Ich persönlich liebe es natürlich die Lebensgeschichte der Protagonisten mitzuerleben und fange deshalb gerne mit Band 1 an.
Heute stelle ich ihnen aber trotz allem Band 10 von Ella Danz vor.
Kommissar Angermüller gönnt sich nämlich ein Sabbatical, er will reisen, kochen, im Cafe sitzen und einfach mal die Seele baumeln lassen, aber womit er nicht gerechnet hat – auch das wird irgendwann langweilig und er verspürt dann doch tatsächlich eine gewisse Leere. Da kommt es ihm gerade recht, dass seine Lebensgefährtin Derya ihn bittet einer alten Schulfreundin zu helfen. Sie hat ein gutgehendes Restaurant, aber irgendjemand scheint das nicht zu gefallen. Derjenige hat es darauf abgesehen, die „Alte Strandbude“ in Verruf zu bringen. Wiebke und ihre Teilhaberin glauben bei den ganzen Vorkommnissen nicht an Zufälle.
Angermüller wird als Kellner engagiert und gerät natürlich in den Sog der Ereignisse. Außerdem kann kommt er in Zugzwang, als die Kollegen mitkriegen, dass er nebenberuflich „arbeitet“, was er eigentlich nicht darf.
Als Kellner kann Angermüller ungestört und vor allem unauffällig ermitteln und hat keine Schwierigkeiten mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und einem Kellner erzählt man definitiv mehr als einem Polizisten.
Ein bisschen Beziehungskrise darf natürlich auch nicht fehlen, denn wer Angermüller kennt, der weiß, dass er es immer wieder schafft das ein oder andere Fettnäpfchen mitzunehmen.
Der Fall nimmt einige interessante Wendungen und ganz ehrlich, normalerweise bin ich ganz gut darin eine Idee zu entwickeln wo es hin führen könnte, aber Ella Danz und Angermüller sind immer wieder für Überraschungen gut.
Was ich an den Krimis von Ella Danz neben den wirklich kulinarischen Highlights liebe, sind die gut durchdachten Fälle oft unter Einbeziehung aktueller Problematiken.
Wie immer ein Lesegenuss und für alle, die die Rezepte ausprobieren auch ein kulinarischer Genuss. Viel Spaß dabei!
Band 1 der Reihe: Osterfeuer
Ein vielschichtiger und spannender Wirtschafts-, Polit- und Ökothriller. Es geht hier um mehr als nur die Umwelt und eine neue Technologie, es geht auch um Waffengeschäfte, Geheimdienste und deren fragwürdige Methoden, Terrorismus und Entwicklungsländer und deren Flüchtlinge. Der Autor nutzt mehrere Erzählstränge hält so den Spannungsbogen bis zum Schluss. Er steigt mit einem heftigen Prolog ein, was bei mir persönlich dazu führte, dass ich mir überlegt hatte, ob ich tatsächlich weiterlese – und ich bin nicht zimperlich. Zum Glück habe ich mich für die Geschichte entschieden.
Nach dem Prolog beginnt die Geschichte eigentlich ganz harmlos und die Spannung baut sich anfangs sehr langsam auf. Man steigt in die unterschiedlichen Erzählstränge ein und lernt so die Orte und Personen kennen.
Mittelpunkt des Thrillers sind die beiden Freunde Jacques Devilliers und Louis Guigou, genannt Al-Ge. Mit ihrem belgischen Start-Up Algamondo haben sie das Unmögliche geschafft, sie haben nach jahrelanger Forschung eine Möglichkeit gefunden aus genmanipulierten Algen Öl zu gewinnen und dabei auch noch umweltfreundlich zu agieren. Nun sind sie kurz vor der Pleite und brauchen einen finanzschweren Investor. Hier kommt Marc Teese, ein Milliardär, ins Spiel und ebenso der amerikanische Geheimdienst.
Zeitgleich beschließt ein kurdischer Terrorist, dass es Zeit ist der Welt zu zeigen, wie mächtig er ist. Er hat nämlich über Geheimdienstkontakte Zugang zu Biowaffen bekommen. Auch gleichzeitig macht sich ein Sidibe aus Mali auf den Weg nach Europa. Und tatsächlich wird dem Leser irgendwann klar, dass im Zeitalter der Globalisierung alles mit allem zusammenhängt.
Der Leser befindet sich immer zeitgleich an mehreren Orten und in mehreren Szenarien – egal ob London, Washington, Mali, Monaco, München, Spanien, Türkei oder Belgien, man fühlt sich als würde man ständig in ein Flugzeug steigen und durch die Welt reisen. Je öfter und weiter der Leser reist, desto mehr nimmt die Geschichte an Fahrt auf und desto geheimnisvoller und auch manchmal undurchsichtiger werden die Figuren.
Und dann beginnt man sich zu fragen: Wer hätte denn tatsächlich ein Interesse daran Öl umweltfreundlich herzustellen? Möchten die Großen der Welt denn tatsächlich, dass jedes Land in der Lage ist sein Öl selber zu produzieren. Was würden sie tatsächlich tun um genau das zu verhindern? Ist das Szenario so unwahrscheinlich?
Eine wirklich packende Story mit authentischen Figuren und realistischem Hintergrund.
Lesen sie und fragen sie sich selbst – was ist tatsächlich machbar?
Mittagsstunde von Dörte Hansen
Ein Muss für alle die Dörte Hansens Roman „Altes Land“ gelesen und geliebt haben.
Dörte Hansen schafft eine Mischung aus Heimatroman, ein bisschen Satire, ein wenig Ironie. Knorrige, verschrobene Charaktere, die stark sind, ihren eigenen Kopf haben und sich durchs Leben kämpfen, auch wenn das nicht immer so einfach ist. Ihr Schreibstil gibt einem das Gefühl hoch oben im Norden zu sein, in einem Dorf, in dem alles noch so ist, wie es früher einmal war und sich trotzdem alles verändert.
Warum Mittagsstunde fragt man sich, aber bald ist es klar. Es gab da mal eine Zeit, in der sich die Menschen mittags hinlegten. Es waren die Stunden zwischen zwölf und zwei, die waren heilig, da ruhte man. Vor allem die Bauern, die früh morgens schon auf waren um die Kühe zu melken. Darum geht es in der Geschichte, um das Verschwinden der Mittagsstunde und um ein fiktives Dorf in Nordfriesland, das all das hat, was Dörfchen so haben, eine Schule, eine Kirche, einen Tante Emma Laden, Alleen, Wiesen, Wälder, Einheimische mit all ihren Geheimnissen und Zugezogene aus den Städten.
Eine der Protagonisten ist Marret Federsen, etwas verrückt, verzückt und nicht von dieser Welt. Sie läuft durch das Dorf und erzählt jedem „de Welt geiht ünner“. Sie sammelt Steine, Federn, Baumrinden, tote Tiere. Sie wird mit 17 schwanger, sagt aber nicht von wem. Irgendwann verschwindet sie und keiner weiß wohin. Ihr Sohn Ingwer wird nicht von ihr, sondern eigentlich von den Großeltern Sönke und Ella großgezogen. Er studiert Archäologie, lebt in Kiel noch mit 50 in einer Wohngemeinschaft und beschließt ein Sabbatjahr zu nehmen um seine Großeltern zu pflegen. Er zieht also erstmal wieder nach Brinkebüll. So beginnt die Geschichte.
In den Kapiteln wechseln Vergangenheit und Gegenwart ab. Man lernt die Bewohner des Dorfes kennen, von denen einige schon sehr verschroben sind. Die Bäckerstochter, die es liebt zu lesen, den Dorfschullehrer Steensen, dessen Erziehungsmethoden nichts mit moderner Pädagogik zu tun haben, Heiko Ketelsen, ein Freund von Ingwer, der nicht der Schlaueste war, dafür aber den Wilden Westen liebt. Die Dorffamile, die manchmal nicht miteinander kann, aber auf keinen Fall ohne einander zurechtkommt.
Der Leser taucht in Marrets Leben ein und auch das ihres Sohnes Ingwer. Der Wandel des Lebens auf dem Dorf und auch die alten, festen Strukturen werden aufgezeigt und es wird erzählt, was hinter verschlossenen Türen so stattfindet. Während die Line-Dance-Gruppe um Heiko in der Dorfkneipe übt, zieht eine Künstlergruppe aus der Stadt in die alte Mühle und züchtet Alpakas.
Ein ruhiger Roman, dem es aber nicht an Spannung fehlt. Eine Milieustudie, die nie langweilig wird. Und ehrlich – Brinkebüll ist überall, nicht nur in Nordfriesland.
Ich jedenfalls kann das Buch nur empfehlen und warte schon gespannt auf den nächsten Roman von Dörte Hansen.
Mauersegler von Christoph Poschenrieder
Heute stelle ich ihnen ein ganz anderes Thema und einen für mich neuen Autor vor.
Das war mein erstes Buch von Christoph Poschenrieder und wird nicht mein letztes sein. Ich mag seinen Schreibstil und freue mich schon auf andere Romane von ihm.
Ein Roman mit Witz, Ironie und einem doch durchaus ernsten und momentan sogar sehr aktuellem Thema – selbstbestimmtes Sterben. Ach nein, denkt sich jetzt so Mancher und bricht das Lesen der Rezension ab. Aber stopp, vielleicht könnten sie trotz des Themas Lust auf die Lektüre bekommen.
Fünf Männer gründen eine Alters-WG, nichts Spektakuläres mag sich jetzt jeder erstmal denken. Stimmt, aber hier geht es nicht nur um selbstbestimmtes Wohnen und Leben im Alter, sondern sehr zentral auch darum, dass die Herren einen Plan entwickeln, wie sie sich beim letzten Schritt gegenseitig unterstützen können.
Wilhelm (Jurist), Heinrich (Lebensmitteltechnologe), Ernst (Programmierer), Siegfried (Theaterregiesseur), Carl (Journalist und ICH-Erzähler), fünf Freunde, die sich schon seit Kindertagen kennen und eigentlich mal sechs waren – aber Martin ist damals im Weiher ertrunken und schließlich holen sie ihn zu sich auf das Grundstück am Starnberger See, denn so ganz unschuldig waren sie an seinem Tod wohl nicht.
Und so beginnt er, der Roman:
„Seltsam Alle haben Angst vor dem Tod, aber keiner macht sich Gedanken, wo er vor seiner Geburt gewesen ist. Wohin die Lebensreise führt, scheint viel wichtiger als die Frage, woher wir kommen. Die Unendlichkeit vorher – ohne mich – kann doch wohl genauso schrecklich sein wie die Unendlichkeit nachher – ohne mich. Oder?“
Und schon hatte Poschenrieder mich am Wickel.
Aber es geht nicht nur ums Lebensende, erstmal wollen die fünf ihr restliches Leben noch genießen und zwar in allen Zügen und ohne auf Konventionen und Vorschriften zu achten. Der Porsche steht vor der Tür und man frönt dem einen oder anderen Laster.
Ernst hat die Aufgabe ein Programm zu schreiben, das sie dabei unterstützt sich gegenseitig beim Sterben zu helfen. Jeder regelt, wen er gerne als Vollstrecker haben möchte und sobald der Wunsch zu sterben da ist, springt das System über das Programm an Der Hausarzt weiß Bescheid und verspricht entsprechende Totenscheine auszustellen.
Sie stellen eine kirgisische Pflegerin ein, die die Senioren-WG nutzt um Waisenkinder aus ihrem Land unterzubringen.
Immer wieder sieht der Leser ein Stückchen der Programmierung in der Computersprache um zu zeigen, was da so vor sich geht. Ein kleiner Gag am Rande.
Ein Buch mit schwarzem Humor und philosophischen Inhalten mit einem ernsten Thema, das trotz allem manchmal leicht daher kommt.
Ich mochte es sehr und hoffe ihnen wird es auch gefallen.